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Impulse aus dem
Baum­haus

Tabula Rasa

02. April 2024
Clemens M Prokop

„Wie Sie sehen, sehen Sie nichts“ – mit diesem Geistesblitz moderierte angeblich der Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff einen Lichtausfall weg. Und gehört seitdem zum Standardrepertoire, wenn mal was nicht so funktioniert wie angekündigt.

Das Bonmot passt aber sehr gut zu unserem Tipp und Thema des Tages: Was gibt es Schöneres als ein leeres Blatt Papier?

Dank elektronischer Whiteboards löschen wir ja längst auf Knopfdruck. Zack und weg. Und neue Datei auf.

Ich weiß nicht, wer das noch kennt, aber neulich beobachtete ich Kinder beim Spielen mit einer dieser ganz analogen Zaubertafeln: Man malt auf einer Folie, und mit einem Schieber kann man alles wieder löschen.

Das war insofern beeindruckend zu sehen, weil der Trick des Spiels nicht im Schreiben und Zeichnen liegt, sondern in der Magie des Löschens.

Erinnert sich noch jemand an die beinahe rituelle Aufgabe des Tafeldienstes? Natürlich bestand die hohe Kunst darin, eine saubere Tafel unter maximaler Hingabe und Ausnutzung des Zeitbudgets wieder herzustellen.

Ganz ohne Ironie: Wir dürfen diese Kunst viel mehr pflegen, gerade in unseren Unternehmen, gerade in Workshops. Nicht einfach wegwischen, sondern (die Schweizer sind da sprachlich präziser) buchstäblich aufnehmen.

Gerade unsere beschreibbaren Wände und Tische bieten sich perfekt dafür an, jede Workshop-Einheit nach der Dokumentation Schritt für Schritt wieder zurückzubauen – das heißt: einzelne Bereiche zu löschen, bis nur noch die Essenz der Essenz übrig bleibt. Wir können es nur allen als Routine des kreativen Denkens empfehlen: Sie wirkt!

Und manchmal wirkt sie sogar Wunder.

Es ist eine spielerische Form aktiver Komplexitäts-Reduktion.

„Tabula Rasa“ nannten die Römer, wenn die mit einer Wachsschicht überzogene Schreibtafel wieder blank geschabt war: ein unbeschriebenes Blatt.

(Und wir sparen uns heute den Philosophen-Streit darüber, ob das nun als Bild für die menschliche Seele taugt, die von Eindrücken und Erfahrungen vollgekritzelt wird.)

Tabula Rasa geht auch in Unternehmen viel häufiger, als wir denken. Vielleicht bräuchten wir nur häufiger eine Art innerbetrieblichen Tafeldienst.

Am Ende würden wir uns sogar das ein oder andere „Simplify!“-Effizienzprogramm sparen.

Clemens M Prokop

geboren in Regensburg.

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